Wortmalerei

Bilder – Michael Großer
Lyrik – Isabelle Großer

Bilder und Worte gehören zusammen.

Ab und an werde ich bei einer Ausstellung gefragt, wie ein Bild entstand und was ich dabei zum Ausdruck bringen möchte.

Meine emotionalen Kompositionen entstehen frei und spontan. Je nach Stimmung erfolgt die Wahl der Leinwand, gefolgt von einer Auswahl von Farben und Materialien, mit denen ich malen möchte. Einmal begonnen, tauche ich in meine Welt der Farben und lasse mich treiben. So entsteht jedes Bild aus sich und stellt eine ganz persönliche Momentaufnahme meines inneren Ich’s dar. Es erzählt ein Stück von meinen Gefühlen und Stimmungen.

So fällt es mir im Nachhinein manchmal schwer, diesen Gefühlszustand zu beschreiben.

Bei meinen Gedanken darüber stieß ich auf eine freie Bildinterpretation meiner Tochter Isabelle. Völlig gefesselt von den Bildern, die Ihre Worte in meinem Kopf auslösten, entstand die gemeinsame Idee, ihre Worte mit meinen Bildern zu einem neuen Ganzen werden zu lassen.

Das Projekt wächst mit jedem Bild – und mit jeder wortgewaltigen Beschreibung. Keine Bildanalyse, kein „was will uns der Maler damit sagen…“

Eine kurze Reise in die kunterbunte Welt der Phantasie. Angeregt durch ein Bild, dass im Kopf einer Wortmalerin zu einer kleinen Geschichte verschwimmt und lebendig wird. Und beim Anblick des Bildes für immer in Erinnerung bleibt.

Phantastisch eingesprochen durch Rolf Berg, der sich spontan für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hat.
Abgemischt durch meinen Bruder Stephan, der dem Ganzen mit seiner Erfahrung den passenden Rahmen gab.

„Spread my wings““ – Acryl auf Leinwand -180 x 120

Spread my wings 

Mit einem Text von Isabelle Großer

Eine milde Brise fuhr ihr durch die langen Haare, während sie sich an den Schuhkarton klammerte. Der Garten um sie herum hatte den kalten, frostigen Winter endgültig ausgetrieben. Der Geruch von Maiglöckchen und Tulpen hing in der Luft, der Kirschbaum stand bereits in rosafarbener Blüte, ebenso wie die leuchtend gelben Forsythien  und auch der Flieder begann auszuschlagen. Goldene Sonnenstrahlen fielen durch das noch hellgrüne, zarte Blätterdach der Buche über ihr, und das Gras unter ihren Füßen war weich und übersät von kleinen Gänseblümchen. Erst das Zwitschern eines Vogels in den Baumkronen über ihr riss sie zurück in die Realität und zwang ihren Blick auf den Schuhkarton in ihren Händen. Sie konnte praktisch spüren, wie aufgeregt er war, all diese Geräusch und Gerüche wieder wahrzunehmen. Behutsam klappte sie den Deckel auf und musterte die kleine Schwalbe, die sich im inneren des Kartons zwischen Watte und Stoff versteckt hatte. Schwarze, glänzende Knopfaugen blickten sie fragend an. Plötzlich hatte sie wieder das Bild des kleinen Vogels vor Augen, wie er vor ihrem Fenster im Schnee gelegen hatte, aufgeplustert und zitternd, mit einem völlig entstellten, ramponierten Flügel. Wie vor wenigen Wochen hob sie ihn zögernd hoch, doch dieses Mal schmiegte er sich in ihre warme Hand. Der Wind fuhr durch sein wieder glänzendes Federkleid, und der gebrochene Flügel schien wieder völlig verheilt zu sein. Bei dem Gedanken daran, wie er in ihrem Zimmer herumgeflogen war, von Lampe zu Lampe und von Bild zu Bild, musste sie schmunzeln. Das Vogelzwitschern aus den Ästen der Buche riss sie erneut aus ihren Gedanken, und die schwarzen Kopfaugen lösten sich abrupt von ihr. Mit einem kräftigen, kunstvollen Flügelschlag warf sich die Schwalbe in die Lüfte, flog höher und höher, als würde sie tanzen, spielte mit den Windböen, als hätte sie nie etwas anderes getan, bis sie schließlich in den Baumkronen verschwand und sich das Zwitschern der beiden Vögel vermischte.

„Precious little Angel“ – Acryl auf Leinwand – 200 x 125

Precious little Angel 

Mit einem Text von Isabelle Großer

Das grelle Fernlicht war das einzige, was die nächtliche Landstraße beleuchtete. Nicht einmal die Lichter einer fernen Stadt konnte er erkennen. Der wolkenverhangene Himmel schirmte jegliches Mondlicht ab und mittlerweile hatte er das Gefühl, die Dunkelheit hatte ihn endgültig verschluckt. Die Finsternis war durchdringend und ließ ihn trotz Heizung frösteln. Mit starrem Blick und müden Liedern beobachtete er, wie das Fernlicht die Straße und den Straßenrand abtastete. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen. Jetzt hingen dünne Nebelschwaden über den Feldern und machten die Landschaft noch düsterer. Der Alltag hatte ihn ausgelaugt und der Umweg über die Felder war ermüdend. Je länger er der Straße ins düstere Ungewisse folgte, desto verlorener fühlte er sich. Seufzend drehte er das Autoradio etwas lauter – der verzweifelte Versuch, der drückenden Stille und wallenden Müdigkeit entgegenzuwirken. Als sein Blick wieder die Straße fand, zuckte er zusammen. Die dicke, tiefschwarze Wolkendecke war aufgerissen und intensives Mondlicht bahnte sich den Weg durch die Dunkelheit. Plötzlich waren alle Müdigkeit und Trübsinn verflogen. Er erinnerte sich nicht mal mehr daran, wie er den Wagen am Straßenrand geparkt hatte und ausgestiegen war. Mit weit aufgerissenen Augen musterte er, wie die Wolken den Blick nach und nach auf einen strahlenden Meteorschauer freigaben. Tausende Sternschnuppen zogen über den Nachthimmel, erhellten jegliches Dunkel und leuchteten so intensiv, dass das Licht seiner Scheinwerfer blass wirkte. Wie ein Regenschauer von goldgelben Lichtpartikeln, ein funkelnder Wasserfall aus hunderten kleinen Sonnen, der sich mit dem kraftvollen, durchdringenden Mondlicht des weiß-silbernen Vollmondes vermischte und in seine trübe Welt eingefallen war. Der Himmel glühte von Sternen, die sich verschwenderisch leuchtend in die Atmosphäre ergossen und dort in Sternenstaub auflösten. 

„Still looking“ – Acryl auf Leinwand – 240 x 120

Still looking

Mit einem Text von Isabelle Großer

Die hölzernen Planken knarrten unter der Wucht des Sturmes. Der prasselnde Regen war seit Stunden nicht mehr verstummt, als wolle er das Deck durchlöchern und der Wind schuf haushohe Wellen, die das Schiff nur so tanzen ließen. Immer wieder zuckten taghelle Blitze durch die Nacht und gewährten einen Blick auf die aufgewühlte, schäumende See. Mit einer qualmenden Pfeife im Mund und einer warmen Thermoskanne in den Händen genoss er den ihm so vertrauten Anblick der See durch das kleine Fenster in der Kajüte. Das Grollen des Donners, Ächzen des Holzes und Brechen der Wellen schufen eine Melodie, die ihn zum Summen brachte. Obwohl die starken Strömungen und der kräftige Wind durchaus besorgniserregend sein konnten, beruhigte ihn der Anblick der tosenden Fluten jedes mal. Wenn das weite, mächtige Meer mal aus der Fassung geriet und zu schäumen und stürmen begann, war seine eigene Wut oder Verzweiflung so unbedeutend und nebensächlich. Wenn sich die Wellen gegenseitig fraßen und Blitze wie entladene Wut aus den Wolken fuhren, wenn der Wind das Wasser zu zerreißen schien, fühlte es sich an, als würde sich all das Chaos in ihm in eine kleine Windböe verwandeln und mit in den Sturm mischen. 

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